Es ist wieder mal soweit. Fraglich ist nur, ob wir in einigen Jahren noch den historischen Aufguss zur Kenntnis nehmen dürfen? In diesen Tagen lebt man von Erfahrungen und Indikationen. Es gibt zwei verlässliche Ansagen zum Thema „Indikationen“. Die eine heißt „Putin“ und es handelt sich um den Präsidenten der Russischen Föderation. Präsident Putin ist (noch) zu den Feierlichkeiten in der Normandie eingeladen, die an das dramatische Ereignis der alliierten Landung im Juni 1944 erinnern soll.

Tischtücher wurden jedenfalls zerschnitten, soweit diese das Einvernehmen nach dem Ende des Kalten Krieges ausgemacht haben. Der G8-Gipfel wurde auf Eis gelegt, Vorstandsvorsitzende der Eisenbahn dürfen nicht mehr mit dem Intercity oder dem Thalys reisen und Kantinenessen im NATO-Hauptquartier in Brüssel ist jetzt „off limits“, unabhängig von der Speisekarte. Es wird Football und Eishockey zugleich gespielt, jedenfalls lässt Obama das an Muskeln spielen, was nach 15 Jahren Intensivkrieg davon noch übrig geblieben ist.

Da bietet sich eine Ausladung mit Blick auf die Küste, an der die Alliierten mit dem französischen Besatzungsgeld in den Koffern gelandet waren, geradezu an. Wen stört es im Angesicht der aktuellen Auseinandersetzungen noch, nicht auch den Gedanken an die Befreiung des Kontinentes vom Nazi-Joch in kleine Münze zu wechseln? Dabei gerät vollends in Vergessenheit, dass in diesem Jahr gleich an zwei Ereignisse erinnert werden muss, die den schönen und alten Kontinent in Schutt und Asche gelegt hatten.

Als da wären der Ausbruch des Ersten und des Zweiten Weltkriegs. Gedenken an diese Schreckensjahre auch deshalb, weil die jetzt zu beobachtenden Phänomene seit 1618 mehrfach das erledigt haben, was zuletzt Adolf Hitler zugeschrieben worden ist. Nur waren die Namen damals andere. Eines ist sicher: sollte Präsident Putin fahren, dann haben wir eine Chance, das zu tun, was wir im Sommer ohnehin gerne machen. Die Deutschen fahren nun einmal mit jährlich mehr als einer halben Million Touristen in die Vereinigten Staaten und nicht nach Sotschi.

Trägt diese Indikation nicht, werden wir uns wohl oder übel mit der Realität beschäftigen müssen, und die ist ebenso simpel wie durchschlagend. Spätestens seit Präsident Kennedy wissen wir, wo Supermächte oder diejenigen, die sich dafür halten, die „Rote Linie“ ziehen. Klare Kante oder Krieg. Genauso wenig wie Präsident Kennedy keine 90 Meilen vor der amerikanischen Küste sowjetische Nuklearwaffen stationiert sehen wollte, sowenig wird Präsident Putin sehenden Auges amerikanische Nuklearwaffen oder ähnliches in der Wirkung wie waffenfähiges „Selbstbestimmungsrecht“ in der Ukraine hinnehmen können und/oder wollen.

Laut allgemein zugänglicher Informationen hat es die USA im Verlaufe von Jahren mehr als 5 Milliarden Dollar gekostet, die Grundsubstanz dessen zu fertigen, was später „Maidan“ genannt werden sollte. Nach Erfolg der Revolutionsbewegung in Kiew wurde noch einmal eine Milliarde Dollar durch den US-Kongress für die Arbeit mit diesen Gruppen draufgelegt. Eine schöne Aufgabe für „Transparency International“, dem einmal nachzugehen, gäbe es nicht die ständigen Hinweise darauf, woher man seine eigenen Finanzmittel eigentlich bezieht.

Return on Investment ist dringend angesagt. Es muss schon etwas ganz großes sein, wenn man sich eine Sache dergestalt viel Geld kosten lässt. Aber noch etwas anderes macht stutzig. Nicht nur aus österlichem Anlass trägt der Westen gerne seine „Werte“ wie eine Monstranz oder ein spätrömisches Feldzeichen vor sich her. Da sieht man zu, wie Menschen in großer Zahl auf dem Maidan-Platz hingemordet werden und fordert nicht mit Nachdruck eine internationale Untersuchung? Da wird eine Regierung, die durch freie und allgemein akzeptierte Wahlen an die Macht gekommen war, einfach so hinweg geputscht?

Da unternehmen drei ehrenwerte, aber leider europäische Außenminister einen Versuch, das Richtige zu tun, und müssen erleben, dass auf Weisung der Anti-EU-Kräfte der Daumen nach unten gesenkt wird. Nuland hier und da und leider überall. Dass etwas ganz großes ansteht, ist aber einem anderen Umstand deutlich anzumerken. Wo gibt es das eigentlich – 1944 und die Normandie sind Warnung genug – dass mitten in Europa braune Mischpoke wieder ihr Haupt erhebt? Auffällig ist, wer alles dazu schweigt, die Dinge verharmlost oder herunterspielt oder beides.

Kann man es den Russen verdenken, das anders zu sehen? Wenige Monate vor dem Ende des Kalten Krieges haben hochrangige amerikanische Kreise deutsche Abgeordnete drauf hingewiesen, dass die sowjetisch-militärische Präsenz in der Mitte Europas nichts anderes sei, als ein Ausdruck der russischen Sorge, dass sich die Geschichte á la Napoleon und Hitler wiederholen könnten. Studien über Studien belegten diese in offiziellen Runden vorgetragenen Rückschlüsse.

Heute soll alles anders sein, nachdem seit dem völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien Moskau feststellen musste, wie durch die USA und Staaten, die mit den USA verbündet sind, Destabilisierung aufs Feinste sowohl in Afghanistan, Iran, Irak, Syrien und Libyen betrieben worden ist: Ziel Moskau? Die deutsche Presse mit ihren so genannten Leitmedien hat ausreichend für diese Kriege getrommelt und ist sich auch heute für nichts zu schade.

Wie anders soll man in einer großen deutschen Tageszeitung das jüngst abgedruckte Bild des russischen Präsidenten werten, bei dem tiefe Anleihen an unselige Zeiten des eigenen Landes offenbar in Kauf genommen worden sind? Geht es diesen Medien und der deutschen Bundeskanzlerin nicht in den Kopf, dass drei ehemalige deutsche Bundeskanzler nur noch mahnen, wenn sie die deutsche Medienlandschaft und Regierungsäußerungen kommentieren.

Behandelt man so den Präsidenten eines Landes, dem wir– und George Bush – nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands und den reibungslosen Abzug einer halben Million Soldaten 1994 – auch ein Datum zur Erinnerung im laufenden Jahr – verdanken? Das wird in Kauf genommen und soll helfen, in der Ukraine die kritische Masse herzustellen. Es fehlt nur der Anlass, aber dafür kann man auf jüngste Modelle zurückgreifen, die auch nur dem Zweck dienten, einen Fehler Eisenhowers aus dem Zweiten Weltkrieg zu revidieren und US-Truppen auf den Balkan und damit nach Camp Bondsteel im Kosovo zu bringen.

Schon der jugoslawische Präsident Milosevic wurde mit einer Lage konfrontiert, die die heutige Dramatik beleuchtet. Die Zeiten standen im Jahr 1992 in der Kraijna danach, dass sich örtliche Clanchefs – um keinen anderen Begriff zu verwenden –  zu regionalen Machthabern aufgeschwungen hatten und sich zur Legitimation ihrer durch Bandenwesen begründeten Macht an den jugoslawischen Präsidenten Milosevic um Hilfe gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Unterdrücker wandten.

Der wurde dadurch vor die Frage gestellt, ob er seine eigenen Landsleute in Kroatien im Stich lassen würde. In diesem Fall würde er als Verräter in die Geschichte eingehen. Eilte er zur Hilfe, wäre er der Aggressor. Wer sagt uns denn, dass nicht auch mit Hilfe von US-Söldnern, die sich sogar nach den Erkenntnissen aus dem Hause Springer in der Ostukraine aufhalten, genau die Kräfte aufgemischt werden, die gegen den russischen Präsidenten diese kritische Masse darstellen sollen?

Es ist nicht die Frage danach, was das russische Militär auf die Beine stellen kann. Wegen der in Kiew herrschenden unglaublichen Ignoranz und Kopflosigkeit dürfte es sich auf dem Weg zur ukrainischen Westgrenze eher um Tage als um Wochen oder Monate handeln. Aber das wird es nicht sein. Es muss jemand als Verräter oder als Aggressor gebrandmarkt werden können, damit endlich die Bäume in den Himmel wachsen können.

Gerade vor diesem Hintergrund möchte man sich wünschen, dass es für die deutsche Bundeskanzlerin allgemein akzeptable Gründe geben sollte, den Flug nach Washington nicht antreten zu können und die Feierlichkeiten in der Normandie erst einmal abzuwarten. Es ist mit dem Washington-Besuch schon so eine Sache, denjenigen öffentlich zu herzen, der hemmungs- und rücksichtslos rumschnüffeln lässt.

Es ist aber die Frage, mit welchem Gepäck zu Lasten des deutschen Volkes und der mit uns befreundeten Nachbarn – inklusive des russischen Volkes – die Bundeskanzlerin in Deutschland wieder landen darf? Der den Demokraten zugehörende amerikanische Präsident Kennedy hatte Nerven, Glück und Freunde, um Kuba zu überstehen. Was hat der den Demokraten zugehörende Präsident Obama?

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